Die Freiheit - das Fundament der Direkte Demokratie

Thomas Mayer, 1990

Freiheit ist der Gegensatz von Abhängigkeit. Jedoch, in unserem täglichen Leben finden wir uns alle - naturgemäß - ausschließlich in Abhängigkeiten wieder. Von Freiheit kann nur dann gesprochen werden, wenn wir unsere "Abhängigkeiten" selbst schaffen und gestalten. Doch damit würde die Welt in ihrer Freiheitsgestalt erstehen.

In großem Maße bestimmen Gesetze und politische Entscheidungen unser Leben. Das Maß der Freiheit hängt also in einer Gesellschaft sehr davon ab, inwieweit jeder Mensch die Möglichkeit besitzt, an politischen Entscheidungen, die ihn betreffen, mitzuwirken.

Dieses Maß an Freiheit zu erhöhen, ist der eigentliche Sinn der Direkten Demokratie. Es ist aber keine willkürlich-egoistische "Wild-West-Freiheit". Denn der Einzelne übernimmt durch sein Mitwirken an Volksbegehren und Volksentscheiden Verantwortung für das Ganze - es ist eine verantwortliche Freiheit.

Das herrschende Demokratieverständnis steht im krassen Gegensatz dazu: Die Parteien (Parteispitzen) bestimmen den gesetzlichen Rahmen, in dem die Menschen leben, ohne daß diese darauf wirksam Einfluß nehmen können. Wichtige politische Entwicklungen können daher nur nach-, aber nicht selbst vollzogen werden (Zuschauerdemokratie).

Es wird dann zwar immer viel von "Freiheit" geredet, doch ist damit nicht Freiheit in Lebensfragen, sondern verkürzt nur eine "Freizeit- und Konsumfreiheit" gemeint. Eine "Freiheit", die nur noch darin besteht, daß zwischen einem Surfbrett und einem Mountain-Bike entschieden werden kann, wird zu einer Phrase.

Diese Freiheitsphrase wird z.B. durch Sätze wie "freie Fahrt für freie Bürger" verbreitet: Doch konnten die Bürgerinnen und Bürger in Wirklichkeit noch nie frei entscheiden, ob z.B. die Straßenbaumilliarden in den Ausbau der Bahn fließen sollen, damit diese attraktiver wird.

Wenn der Mensch keinen Einfluß auf die Gestaltung der Gesellschaft hat, dann wird er zu einem bloßen Rädchen im gesellschaftlichen Getriebe. Er wird von den Ereignissen nur noch geschoben. Sein Menschentum, seine Freiheit wird von einer großen und anonymen Maschine aufgefressen.

Und viele sagen es schon: Die gesellschaftliche "Maschine" sei so kompliziert, daß nicht die Bevölkerung, sondern nur noch die Politiker sie steuern können. Die Menschen hätten sich dieser Maschine zu fügen. Die gespenstisch-düstere Unmenschlichkeit dieser Ansicht, die die Freiheit negiert, ist dem heutigen Bewußtsein noch zu wenig deutlich.

Der Weg zu einer verantwortlichen Freiheit liegt vor uns. Wer erkennt, daß der Weg in die Maschine hinein ein Irrweg ist, der kann die tiefgehend-weitreichende Bedeutung der Direkten Demokratie verspüren. Er weiß, daß es mit der Direkten Demokratie nicht um ein weiteres Mittel für den (partei)politischen Kampf geht, sondern um etwas viel grundlegenderes. Und er weiß auch, daß die Direkte Demokratie nur ein - aber ein entscheidender - Schritt dahin ist.

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